Benefiz-Event bringt 30.000 Euro für Bangladesch

BAD LIEBENZELL / SCHWAIGERN. Rund 120 Sport­le­rin­nen und Sport­ler haben am 12. April bei der fünf­ten „Mis­sio Cross Chall­enge“ Stand heu­te mehr als 30.000 Euro für benach­tei­lig­te Men­schen in Ban­gla­desch erlau­fen oder erra­delt. Das Bene­fiz-Event führ­te über eine Stre­cke von 80 Kilo­me­tern von Bad Lie­ben­zell nach Schwai­gern. Die zurück­ge­leg­te Stre­cke konn­ten die Sport­ler selbst wäh­len und alle fünf Kilo­me­ter ein- und aussteigen.

Zum ers­ten Mal waren in die­sem Jahr auch Rad­fah­rer zuge­las­sen. Mit 55 Per­so­nen war knapp die Hälf­te der Teil­neh­mer mit dem Fahr­rad unter­wegs. Ins­ge­samt gab es 18 Läu­fer und 21 Rad­fah­rer, die sich die kom­plet­te Stre­cke vor­nah­men. Die ande­ren leg­ten Stre­cken zwi­schen fünf und 70 Kilo­me­tern zurück. Kos­ten­lo­se „Mis­sio-Cross-Taxis“ brach­ten sie zurück zur Start­sta­ti­on oder wei­ter zu einer neu­en. Mit dabei war auch wie­der Maria­na, eine jun­ge Frau im Roll­stuhl, die schon mehr­mals an der „Mis­sio Cross Chall­enge“ teil­ge­nom­men hat.

Tho­mas Haid, Kauf­män­ni­scher Geschäfts­füh­rer der Lie­ben­zel­ler Mis­si­on, zog ein posi­ti­ves Fazit: „Wir hat­ten noch nie so vie­le Teil­neh­mer, noch nie so gutes Wet­ter und noch nie so einen hohen Spen­den­er­lös. Ich bin begeis­tert und dank­bar für den Tag.“

Den Spon­so­ren­lauf rich­te­te die Lie­ben­zel­ler Mis­si­on zusam­men mit der Lie­ben­zel­ler Gemein­schaft Schwai­gern und der Jugend­ar­beit „Ent­schie­den für Chris­tus“ (EC) in Schwai­gern aus. Spon­so­ren, die die Sport­ler im Vor­feld gesucht hat­ten, spen­de­ten pro gelau­fe­ne Kilo­me­ter einen zuvor ver­ein­bar­ten Betrag für die Arbeit der Lie­ben­zel­ler Mis­si­on in Ban­gla­desch. Damit wer­den unter ande­rem meh­re­re Kin­der­dör­fer unter­stützt, in denen Kin­der aus benach­tei­lig­ten Fami­li­en eine qua­li­fi­zier­te Schul­bil­dung und ein neu­es Zuhau­se bekom­men. Die lang­jäh­ri­gen Ban­gla­desch-Mis­sio­na­re Regi­ne und Micha­el Kest­ner berich­te­ten den Teil­neh­mern nach dem Ziel­ein­lauf von ihrer Zeit in dem süd­asia­ti­schen Land. Die konn­ten sich dort bei einer gro­ßen Nudel­par­ty stär­ken und über ihre Erleb­nis­se auf der Stre­cke aus­tau­schen. So berich­te­te ein Rad­fah­rer, dass er einen dop­pel­ten Durch­stich im Rei­fen hat­te, aber kein Flick­zeug bei sich trug. Zufäl­lig sei ein Mann zur Stel­le gewe­sen, der den plat­ten Rei­fen schnell und fach­män­nisch repa­rier­te, so dass der Rad­fah­rer sicher sein Ziel erreich­te – ein „Engel“ zur rech­ten Zeit am rich­ti­gen Ort.

Erst hinsitzen und beobachten – dann schaffen

Tobi­as und Sarah Mül­ler arbei­ten seit August 2023 in Toron­to, Kana­da, und lei­ten dort das Pro­gramm „impact-move“. Außer­dem sind sie für die Stu­die­ren­den der Inter­kul­tu­rel­len Theo­lo­gi­schen Aka­de­mie (ITA) wäh­rend ihres Aus­lands­se­mes­ters in Toron­to zustän­dig. Zuvor haben sie zwölf Jah­re in Mala­wi gear­bei­tet. Tobi­as ist gelern­ter Elek­tro­in­stal­la­teur und hat sei­ne Aus­bil­dung am Theo­lo­gi­schen Semi­nar der Lie­ben­zel­ler Mis­si­on absol­viert. Jetzt hat er berufs­be­glei­tend an der Aka­de­mie für Welt­mis­si­on (AWM) in Korn­tal den Mas­ter­stu­di­en­gang „Inter­kul­tu­rel­le Lei­tung und Füh­rung“ erfolg­reich abgeschlossen.

Tobi­as, was hat dich bewo­gen, ein solch anspruchs­vol­les Stu­di­um berufs­be­glei­tend zu absolvieren?
Bei die­sem Stu­di­um geht es nicht nur dar­um, einen Mas­ter­ab­schluss zu erlan­gen, son­dern die eige­nen Erfah­run­gen als Mis­sio­nar kon­ti­nu­ier­lich zu reflek­tie­ren. Dafür hat man bis zu zehn Jah­re Zeit. Ich habe es in acht Jah­ren geschafft. Jedes Jahr belegt man in der Regel ein bis zwei ange­bo­te­ne Kur­se zu ver­schie­de­nen The­men, die einen betref­fen. Ich habe mich von Anfang an dar­auf kon­zen­triert, was man jun­gen Mis­sio­na­ren mit auf den Weg geben kann, bevor sie aus­rei­sen: Was müs­sen sie in ihren ers­ten Jah­ren als Mis­sio­na­re ler­nen, damit sie effek­ti­ver und nach­hal­ti­ger arbei­ten können?

Und die­se Kur­se fan­den alle in Korn­tal statt?
Anfangs ja. Aber durch die Coro­na-Pan­de­mie wur­de das Stu­di­um umge­stellt und alles fand online statt. Das hat mir sehr gehol­fen. Aller­dings hat der Aus­tausch mit den Kol­le­gen vor Ort gefehlt, was ursprüng­lich ein Haupt­an­lie­gen des Stu­di­ums war. Daher war es sehr scha­de, dass dies durch und nach der Coro­na-Pan­de­mie nicht mehr mög­lich war.

Was hast du wäh­rend dei­nes Stu­di­ums gelernt?
Ich habe zum Bei­spiel einen Kurs in inter­kul­tu­rel­ler Kom­mu­ni­ka­ti­on belegt. Das war sehr span­nend. Außer­dem ging es um die Per­sön­lich­keit eines Lei­ters. Ein ande­rer Kurs beschäf­tig­te sich mit dem Lei­ten mul­ti­kul­tu­rel­ler Teams. Ich habe auch theo­lo­gi­sche Kur­se belegt, unter ande­rem über die Theo­lo­gie der Mis­si­on. Ich habe auch an Stu­di­en­ein­hei­ten teil­ge­nom­men, in denen Coa­ching-Kom­pe­ten­zen ver­mit­telt wurden.

Wie hilft dir das Stu­di­um bei dei­ner Arbeit?
Zunächst hilft es natür­lich ganz per­sön­lich: Man kann sich erst ein­mal selbst reflek­tie­ren, wer man ist und was mei­ne Gaben sind. Außer­dem bekommt man viel Wis­sen und Hand­werks­zeug für sei­ne Arbeit ver­mit­telt. Man kann auch Erfah­run­gen reflek­tie­ren, die einem so gar nicht bewusst sind. Man bekommt auch ein Ver­ständ­nis für die Kul­tur, in der man lebt. Natür­lich kann einem dabei ein ein­hei­mi­scher Mit­ar­bei­ter hel­fen. Aber man muss sich bewusst sein, dass ein Ein­hei­mi­scher nie die gan­ze Kul­tur reprä­sen­tiert. Das ist ein wich­ti­ger Punkt, weil Mis­sio­na­re das oft nicht berück­sich­ti­gen. Die­se den­ken oft, dass der bes­te ein­hei­mi­sche Mit­ar­bei­ter vor Ort die Kul­tur des Lan­des umfas­send kennt und des­halb alle Fra­gen beant­wor­ten kann. Dem ist aber nicht so. Und es hilft auch, wenn ich neu­en Mis­sio­na­ren Werk­zeu­ge an die Hand geben kann, die ich in die­sem Stu­di­um gelernt habe.

Was war für dich der größ­te Aha-Effekt wäh­rend dei­nes Studiums?
Mir ist bewusst gewor­den, dass wir in Deutsch­land eine soge­nann­te kon­text­ar­me Kom­mu­ni­ka­ti­on pfle­gen: Bei uns muss man so deut­lich wie mög­lich sagen, was man will. Es ist also die Auf­ga­be des Spre­chers, so klar wie mög­lich zu kom­mu­ni­zie­ren und die Bot­schaft zu ver­mit­teln. In vie­len ande­ren Kul­tu­ren hin­ge­gen, vor allem in Scham­kul­tu­ren, muss der Zuhö­rer her­aus­fin­den, was der Spre­cher mit­tei­len will. Dar­über hin­aus gibt es Kul­tu­ren, in denen man Men­schen auf kei­nen Fall vor den Kopf sto­ßen möch­te und daher nega­ti­ves Feed­back eher ver­mei­det oder ver­packt. Das kann schwer­wie­gen­de Fol­gen haben. Wenn etwa ein nord­ame­ri­ka­ni­scher Chef zu einem sagt: „Heu­te warst du ein biss­chen zu spät“, dann ist das die letz­te War­nung. Aber Deut­sche hören das viel­leicht so, als wäre das gar nicht so schlimm. Und dann wun­dern sie sich, wenn ihnen im nächs­ten Monat gekün­digt wird. In ande­ren Kul­tu­ren wird also oft nicht so direkt kom­mu­ni­ziert wie in Deutsch­land. Die Zuhö­rer müs­sen eher her­aus­fin­den, was man ihnen sagen will. In Afri­ka habe ich auch fest­ge­stellt, dass man die­sen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stil über­nimmt: Man ist weni­ger direkt. Die Kul­tur, in der man lebt, wird auch zur eigenen.

Was denkst du, muss ein Mis­sio­nar ganz schnell ler­nen zum Berufsstart?
Auf Eng­lisch wür­de ich sagen: „Obser­ve befo­re ser­ving“, also dass wir ler­nen, zuerst zu beob­ach­ten, bevor wir anfan­gen, tätig zu wer­den. Wir Lie­ben­zel­ler Mis­sio­na­re sind dafür bekannt, dass wir regel­rech­te Schaf­fer sind. Das ist ver­ständ­lich, denn wenn man in die Mis­si­on geht, hat man oft wenig Zeit und will schnell etwas auf­bau­en und ent­wi­ckeln. Aber aus mei­ner Sicht ist es gera­de in den ers­ten zwei Jah­ren wich­ti­ger, erst ein­mal zu ler­nen, also sich buch­stäb­lich hin­zu­set­zen und zu beobachten.

Wir haben oft ver­lernt zu schau­en, wie sich Men­schen ver­hal­ten und war­um sie sich so ver­hal­ten. Ich selbst habe in mei­ner Zeit in Mala­wi erlebt, dass jun­ge Mis­sio­na­re gekom­men sind und mir dann Fra­gen gestellt haben, die mir gar nicht mehr bewusst waren und von denen ich nach sechs oder acht Jah­ren Ein­satz immer noch ler­ne, weil ich gemerkt habe, dass ich betriebs­blind gewor­den bin. Ich habe das gar nicht mehr so wahr­ge­nom­men, weil sich blin­de Fle­cken ent­wi­ckelt haben.
Man muss auch sehen, dass sich Mis­si­on ver­än­dert hat. Wir spre­chen zu Recht von Part­ner­schaft und Part­ner­schaft fin­det immer auf Augen­hö­he statt. Des­halb ist es wich­tig, die­se Fähig­kei­ten zu entwickeln.
Wir wol­len zudem die Ein­hei­mi­schen her­aus­for­dern und ihnen hel­fen, ihre eige­nen Stra­te­gien und ihre eige­nen Pro­jek­te zu ent­wi­ckeln; in ihrem Tem­po, mit ihren Res­sour­cen und nach ihren Ideen.
Es geht nicht dar­um, Pro­jek­te zu ent­wi­ckeln, von denen wir glau­ben, dass sie ihre größ­ten Pro­ble­me lösen. Denn unse­re Ein­schät­zun­gen sind oft falsch, die Men­schen vor Ort wis­sen das oft bes­ser. Schließ­lich ist es ihr Land und ihr Weg mit ihren Mit­men­schen. Wir sind nur da, um die Men­schen eine gewis­se Weg­stre­cke zu beglei­ten. Gera­de des­halb müs­sen wir in der Lage sein, Ver­trau­en auf­zu­bau­en. Das ist eine wich­ti­ge Grund­la­ge. Wenn man Mis­si­on als Part­ner­schaft ver­steht, muss man sich über­le­gen, wie man Men­schen in der jewei­li­gen Kul­tur über­zeu­gen kann. Wie gibt man in die­ser Kul­tur das rich­ti­ge Feed­back? Man benö­tigt ein­fach mehr Zeit, um das her­aus­zu­fin­den, bevor man losgeht.

Muss sich also jeder Mis­sio­nar stän­dig weiterbilden?
Ich wür­de sagen, nicht fort­bil­den, son­dern sei­ne Arbeit kon­ti­nu­ier­lich reflek­tie­ren. Wenn man das nicht tut und sich nicht mit ande­ren aus­tauscht, schwimmt man nur in sei­nem eige­nen Teich. Das gilt für alle Beru­fe, ob man nun als Pas­tor, Sozi­al­päd­ago­ge oder Ban­ker in Deutsch­land arbei­tet – es ist immer gut, über den Tel­ler­rand zu schau­en, und das bie­tet das Studium.